Stellungnahme zum angekündigten Gendern-Verbot in Hessen

Die queeren Bildungs- und Antidiskriminierungsprojekte von SCHLAU Hessen haben mit großer Sorge das Verbot von geschlechtergerechter Sprache unter Verwendung von Sonderzeichen zur Kenntnis genommen, welches im November 2023 im Sondierungspapier von CDU und SPD angesichts der geplanten Regierungsbildung der beiden Parteien in Hessen angekündigt wurde. Im Text heißt es hierzu:

„Wir bekennen uns zum Leitbild des mündigen Bürgers. Das bedeutet für uns: Anreize statt Verbote, Beteiligung statt Bevormundung und Entlastungen statt Belastungen. Gleichzeitig werden wir festschreiben, dass in staatlichen und öffentlich-rechtlichen Institutionen (wie Schulen, Universitäten, Rundfunk) auf das Gendern mit Sonderzeichen verzichtet wird und eine Orientierung am Rat der deutschen Sprache erfolgt.“

– Eckpunkte einer Hessenkoalition der Verantwortung, CDU Hessen

Unter der Überschrift „Freiheit und Generationengerechtigkeit“ wird dabei widersprüchlich ein Bekenntnis zu Mündigkeit und gegen Bevormundung dargestellt und im unmittelbaren Anschluss das Verbot des schriftlichen Genderns in öffentlichen Einrichtungen angekündigt. Anstatt tatsächlich auf Freiheit und Eigenverantwortung zu setzen, suggeriert das Sondierungspapier sich gegen einen vermeintlichen Zwang zu gendergerechter Sprache zu stellen. CDU und SPD schließen damit leider an den populistischen Diskurs an, den es schon seit längerem rund um Gendern und weitere queer-feministische Themen gibt.

Zum einen besorgt das geplante Gendern-Verbot, weil es die tatsächlichen Ansprüche und Hintergründe von geschlechtergerechter Sprache ignoriert. Beim schriftlichen Gendern mit Sonderzeichen (z.B. Lehrer*in, Lehrer:in oder Lehrer_in) geht es zunächst vor allem darum, auch sprachlich die geschlechtliche Vielfalt unserer Gesellschaft abzubilden. Es ist eine Form des solidarischen und sensiblen Sprechens und Schreibens, die darauf achtet, neben männlichen Personen auch weibliche, inter, trans und nicht-binäre Menschen direkt anzusprechen und sichtbar zu machen. Durch diese geschlechtergerechte Sprache soll die tatsächliche geschlechtliche Vielfalt unserer Gesellschaft deutlicher dargestellt werden, als dies bei der ausschließlichen Verwendung des generischen Maskulinums (Lehrer) oder der binären Form (Lehrer und Lehrerinnen) möglich ist.

In vielen Bildungseinrichtungen, in Kulturstätten und im Sozialwesen, aber auch in einigen Behörden und Kommunen ist Gendern mittlerweile ein etablierter Standard. In der Schriftsprache ebenso wie in der Lautsprache findet es dabei in verschiedenen Formen Anwendung. Entgegen vieler Behauptungen im gesellschaftlichen Diskurs um das Gendern gibt es hierzu jedoch so gut wie nie einen Zwang. Es ist in der Regel ein Angebot, eine Anregung und für viele Projekte, Aktivist*innen und Institutionen eine Herzensangelegenheit. Dass geschlechtergerechte Sprache dabei auffällt, manchmal sperrig ist, manchmal nervt und gelegentlich mit den Regeln der deutschen Sprache kokettiert, ist ein nicht unwesentlicher Bestandteil dessen, was es zu einer wirkungsvollen Ausdrucksweise macht.

Sorge bereitet das angekündigte Verbot von Gendern mit Sonderzeichen im Sondierungspapier zudem, da es das einzige queer-feministische Thema ist, welches überhaupt von CDU und SPD aufgegriffen wurde. Das eher kurz gehaltene Papier geht an keiner anderen Stelle auf die Bedürfnisse von queeren Bürger*innen in Hessen ein. Auch laufende Vorhaben, die von der bisherigen schwarz-grünen Landesregierung ins Leben gerufen wurden, finden keine Erwähnung. Die zukünftigen Koalitonspartner*innen erwecken damit leider den Eindruck, dass sie an Anreizen, Beteiligungen und Entlastungen von queeren Menschen in Hessen kein großes Interesse haben. Ganz im Gegenteil, wird stattdessen gezielt bevormundend auf ein Verbot gesetzt, dass für die ohnehin schon vulnerablen Gruppen der nicht-binären, trans und inter Menschen in Hessen eine große Belastung darstellen wird.

Letztlich besorgt auch, dass sich das angekündigte Gendern-Verbot in einer ganzen Reihe von politischen Positionen wiederfindet, die stark von Restriktion geprägt sind und sich wenig an humanistischen Werten und Menschenrechten zu orientieren scheinen. Verwiesen sei hier beispielhaft auf Ankündigungen zum Umgang mit Geflüchteten.

Wir fordern die Mitglieder der CDU und SPD in Hessen auf, ihr geplantes Gendern-Verbot zu überdenken. Wir schließen uns damit den Aufrufen vieler anderer hessischer Organisationen, Verbände und Projekte an. Zahlreiche Stimmen aus Gesellschaft, Kultur und Wissenschaft haben bereits Bedenken geäußert, die auf soziale und auch rechtliche Schwierigkeiten einer Umsetzung des Verbots aufmerksam machen.

Wir laden Politiker*innen beider Parteien ein, mit der hessischen queeren Community ins Gespräch zu kommen. Wir möchten Sie ermutigen, mit Menschen zu sprechen, die ein Gendern-Verbot unmittelbar betrifft. Wir bitten Sie, sich wissenschaftlich fundiert darüber zu informieren was Gendern ist, wie es genutzt wird und wie es wirkt. Und wir appellieren deutlich an ein Verständnis von Freiheit, das nicht nur die Mehrheitsgesellschaft berücksichtigt, sondern auch den Schutz, die Würde und die Rechte von queeren Menschen in Hessen einbezieht.

Weitere Statements zum Sondierungspapier

Wie SCHLAU Hessen gendert

Die FAQs auf unserer Webseite haben wir um einige Fragen rund um das Gendern erweitert. Dort erläutern wir, wie unsere Teamer*innen gendern und welche Rolle geschlechtergerechte Sprache in unseren Workshops spielt.

Transparenz                      

SCHLAU Hessen wird seit 2015 im Rahmen des Aktionsplans für Akzeptanz und Vielfalt durch das Land Hessen gefördert.  

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