DAS KONZEPT VON SCHLAU

Was ist SCHLAU?

Wir sind ein queeres Bildungs- und Antidiskriminierungsprojekt. In unseren Workshops mit Schulklassen, Jugendlichen und jungen Erwachsenen arbeiten wir zu den Themenfeldern geschlechtliche Identitäten sowie sexuelle und romantische Orientierungen. Den Teilnehmenden bieten wir die Möglichkeit, mit jungen a*, bi*, inter*, lesbischen, nicht binären, pan*, schwulen, trans* und queeren Menschen ins Gespräch zu kommen. Mittels pädagogischer Methoden und dem autobiografischen Gespräch führen wir niedrigschwellig in die Themengebiete ein. Wir sprechen dabei über Lebenswirklichkeiten und Biografien, das eigene Coming-Out, Diskriminierungserfahrungen sowie Vorurteile und Rollenbilder.

Ziele von SCHLAU-Workshops

  • Sensibilisierung für die Lebenssituation von jungen queeren Menschen
  • Sichtbarmachung gesellschaftlicher Vielfalt
  • Reflektion und Bewusstmachung von Vorurteilen, Klischees und Rollenbildern
  • Förderung von Respekt und Akzeptanz gegenüber queeren Menschen und anderen marginalisierten Personengruppen
  • Bewusstmachung von intersektionalen Dimensionen von Diskriminierung und Diskriminierungsmechanismen
  • Vermittlung von Kompetenzen für ein Engagement gegen Queerfeindlichkeit
  • Empowerment und Stärkung des selbstbewussten Umgangs mit der eigenen Identität von Jugendlichen und jungen Erwachsenen
  • Aufzeigen von Beratungsmöglichkeiten

Zielgruppen

Das Angebot von SCHLAU Hessen richtet sich insbesondere an folgende Gruppen:

  • Schulklassen der Jahrgangsstufen 8-13 aller Schulformen
  • Junge Erwachsene im Tertiären Bildungsbereich (z.B. Auszubildende, Studierende, Fachschüler*innen)
  • Gemischte Jugendgruppen (z.B. Jugendzentren, Vereine, Jugendarbeit)
  • Junge Menschen im Freiwilligendienst (z.B. FSJ, FSJ Kultur)

Unsere Workshops werden altersangemessen und zielgruppenspezfisch an die Bedarfe der Gruppe angepasst.

Qualitätsstandards

Alle SCHLAU-Projekte in Deutschland arbeiten nach denselben Qualitätsstandards. Die Standards wurden 2015 auf einer gemeinsamen Zukunftswerkstatt aller SCHLAU-Projekte verabschiedet und sind seit dem 14.05.2016 bundesweit verbindlich. Neben den bundesweiten Standards gibt es erweiterte Qualitätsstandards, die für die Lokalprojekte in Hessen gelten.

Unsere Standards können Sie hier nachlesen:

Die Teamer*innen von SCHLAU Hessen unterzeichnen zudem eine Selbstverpflichtungserklärung, welche grundlegende Verhaltensregeln im Umgang mit Kindern und Jugendlichen im Rahmen der Arbeit bei SCHLAU festlegt.

Der SCHLAU-Workshop

Rahmenbedingungen

Die genauen Rahmenbedingungen klären die Lokalprojekte ab. Grundlegend gilt für alle Workshops:

  • Dauer mindestens 90 Minuten (gerne länger)
  • Anleitung durch mindestens zwei Teamer*innen (Vier-Augen-Prinzip)
  • Das Angebot an Lehrkräfte, den Entwurf für einen Elternbrief zu nutzen
  • Empfehlung, dass Lehrkräfte nicht direkt am Workshop teilnehmen (die Aufsichtspflicht und Erreichbarkeit für die Teilnehmenden bleiben aber gewahrt)

Bitte beachten Sie auch unsere Hinweise zur Planung von Workshops und die Hinweise zur Bildungsarbeit.

Ablauf eines SCHLAU-Workshops

Vorbereitung

Die Vorbereitung des Workshops erfolgt in Absprache mit der Lehrkraft oder pädagogischen Fachkraft, welche den Workshop anfragt. Auf Grundlage dieses Gesprächs wird eine für die Gruppe angepasste Workshopplanung erstellt. Der Workshop soll allen Teilnehmenden mit einem Hinweis auf den inhaltlichen Fokus angekündigt werden.

Beginn des Workshops

Zu Beginn des Workshops stellen wir den groben Ablauf vor, geben kurze Informationen zum Projekt und klären Organisatorisches. Zum Einstieg erfolgt und eine Vorstellungsrunde und mit den Teilnehmenden werden unsere Gesprächsregeln geklärt.

Methodische Hinführung

Zumeist werden im Rahmen eines SCHLAU-Workshops einleitend verschiedene Begriffe vorgestellt, die einen Bezug zu sexueller, romantischer und geschlechtlicher Vielfalt und verschiedenen Identitäten haben. Diese Begriffe werden erläutert und mit der Gruppe besprochen. Durch einen vertiefenden methodischen Einstieg führen wir danach in die Themengebiete Diskriminierung, Privilegien, Familienformen und Geschlechter ein.

Autobiografisches Gespräch

Im Hauptteil des Workshops bietet das SCHLAU-Team im autobiografischen Gespräch Einblicke in Coming-Out, Diskriminierungserfahrungen und die Lebenswirklichkeiten von queeren Menschen. Wir bieten den Teilnehmenden ebenso die Möglichkeit, offen oder anonym Fragen zu stellen und eigene Vorbehalte, Vorurteile und Unsicherheiten anzusprechen. Im Mittelpunkt stehen dabei jederzeit die Biografien der SCHLAU-Teamer_innen, die Jugendlichen selbst sollen und müssen nichts aus ihrem Privatleben erzählen.

Abschluss

Zum Ende des Workshops werden die Teilnehmenden durch das Team verabschiedet. Bei Bedarf werden offene Themen und Fragen angesprochen. Die Teilnehmenden werden zudem gebeten, den Feedbackbogen von SCHLAU Hessen auszufüllen.

Nachbereitung

Die Nachbereitung des Workshops erfolgt durch das Workshop-Team im Anschluss an die Veranstaltung. Teammitglieder geben sich gegenseitig Feedback und besprechen gelungene Momente und Schwierigkeiten, die möglicherweise während des Workshops aufgetreten sind. Die Workshops werden auch in den Teamsitzungen der SCHLAU-Lokalprojekte reflektiert. Wünschenswert ist zudem ein Nachgespräch mit der Lehrkraft oder Fachkraft, um mitzuteilen, welche Themen den Teilnehmenden besonders wichtig waren und wo sich mögliche weitere Bedarfe gezeigt haben.

Methodik

Die SCHLAUe Kiste

Das Repertoire der SCHLAU-Lokalprojekte basiert auf der Methodensammlung SCHLAUe Kiste. Diese ist eine Handreichung für die Bildungs- und Antidiskriminierungsarbeit mit den Schwerpunkten geschlechtliche und sexuelle Vielfalt. Die SCHLAUe Kiste zeichnet sich durch folgende Aspekte aus:

  • Sensibilisierung durch die offene und dialogische Interaktion zwischen Teamer_innen und Teilnehmenden
  • Methodische Erfahrbarmachung von Diskriminierungsmechanismen und Queerfeindlichkeit
  • Anregung zur Einnahme neuer Perspektiven und zur Entwicklung und Erweiterung eigener Positionen
  • Eine Auswahl pädagogischer Methoden, welche die Themen sexuelle, geschlechtliche und romantische Vielfalt, Heteronormativität, Coming-out, Geschlechtergerechtigkeit, Diskriminierung, Intersektionalität, Familien- und Lebensformen sowie Zivilcourage aufgreifen

Die Methodensammlung wurde ursprünglich durch SCHLAU NRW entwickelt. Seit 2021 nutzen alle SCHLAU-Projekte bundesländerübergreifend eine gemeinsam überarbeitete SCHLAUe Kiste.

Theoretische Perspektiven

Die Konzeption der Methodik der SCHLAUen Kiste bezieht sich auf folgende theoretische Grundlagen:

  • (Hetero)normativitätskritische Perspektive
  • Antidiskriminierungspädagogik
  • Intersektionalität
  • Menschenrechtsbildung

Mehr dazu können Sie hier nachlesen: Theoretische Perspektiven in der SCHLAUen Kiste (2021)

Hintergrund: Warum ist SCHLAU wichtig?

Zwischen fünf und zehn Prozent aller Menschen sind nach Angaben der Bundeszentrale für politische Bildung schwul, lesbisch, bi oder trans*. Statistisch gesehen sind das ein oder zwei Jugendliche in jeder Schulklasse. Unverständnis, Ausgrenzung und sogar Gewalt sind Erfahrungen, von denen die meisten betroffenen Jugendlichen berichten – wohl auch, weil in deutschen Klassenzimmern über sexuelle Orientierung und Geschlechteridentitäten kaum gesprochen wird. Das Deutsche Jugendinstitut veröffentlichte im Herbst 2015 erstmals eine bundesweite Studie zur Lebenssituation von lesbischen, schwulen, bi, trans* und queeren (LGBTIQ*) Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Die Ergebnisse sind eindeutig:

  • Acht von zehn befragten Jugendlichen und jungen Erwachsenen erfuhren auf Grund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität Diskriminierung. 55 Prozent der Befragten erlebten diese im schulischen Kontext.
  • 61 Prozent der Befragten gaben an, sich vor einem Coming-Out im schulischen oder beruflichen Kontext zu fürchten. Ein Coming-Out während der Schulzeit vermeiden die meisten Menschen aus Angst vor Ausgrenzung und Mobbing.
  • Im Unterricht wird das Thema LGBTIQ* häufig nicht angesprochen. Positive Beispiele und Vorbilder für Jugendliche sind selten. Auf Schimpfworte oder offene Anfeindungen wurde nur von 57 Prozent der Lehrkräfte reagiert.

Auch SCHLAU-Teamer_innen haben oft ähnliche Erfahrungen in ihrer eigenen Schulzeit gemacht. Für die meisten von uns Motivation genug, LGBTIQ*-Themen mit Schulklassen im Rahmen unserer Workshops anzusprechen. Ganz nach unserem Motto: Mit uns reden statt über uns!

Hintergrund: Woher kommt SCHLAU?

Erste Aufklärungsprojekte haben sich in ganz Deutschland bereits Anfang der 1990er Jahre gegründet. Der Name SCHLAU kommt aus Nordrhein-Westfalen: Im Jahr 2000 haben sich mehrere bisher eigenständige Aufklärungsprojekte vernetzt und so das Landesnetzwerk SCHLAU NRW ins Leben gerufen. Das damals zuständige Sozialministerium förderte die Entwicklung einer Methodenkiste, um lesbische und schwule Lebensweisen sichtbarer zu machen: Die SCHLAUE Kiste war erfunden. Seitdem haben sich die Idee und die Konzepte von SCHLAU in mehreren Bundesländern etabliert. Neben NRW gibt es SCHLAU-Projekte auch in Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein.

Ihre Wurzeln hat die Aufklärungsarbeit der 1990er Jahre in der Sexualpädagogik: Denn es war vor allem der Biologieunterricht und die dort stattfindende Sexualaufklärung, die einen Rahmen für Fragen der Jugendlichen bot. Entsprechend waren es insbesondere die Richtlinien zur Sexualerziehung, die erstmals die Themen sexuelle und geschlechtliche Vielfalt im Schulkontext aufgriffen.

Seitdem ist allerdings viel geschehen: Es gibt eine zunehmende politische, gesellschaftliche und mediale Anerkennung von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt. Die Akzeptanz von queeren Menschen hat insgesamt zugenommen. Heute ist es nicht länger nur eine Aufgabe des Biologieunterrichts oder der Sexualaufklärung über diese Themen zu sprechen. Vielmehr ist Gleichberechtigung eine interdisziplinäre Frage geworden, die in vielfältigen Kontexten eine bedeutende Rolle spielt.

Methodisch hat sich SCHLAU daher immer stärker auf Menschenrechtsbildung und Antidiskriminierungspädagogik fokussiert und damit auch eine Angebotslücke geschlossen. Heute kooperieren wir selbstverständlich mit sexualpädagogischen Aufklärungsprojekten von profamilia oder den AIDS-Hilfen, greifen selbst aber nicht mehr auf entsprechende Konzepte zurück. Wir sind überzeugt, dass die Selbstverständlichkeit und Sichtbarkeit von queeren Menschen gesteigert werden kann, wenn die Themen sexuelle und geschlechtliche Vielfalt fächerübergreifend und aus vielen verschiedenen Perspektiven zur Sprache gebracht werden.